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RUHE IST GEGENPOL ZUR ARBEIT

Das tätige Leben

  1. Formales Kriterium: Arbeit ist Lebensfristung. Der Mensch ist dann nicht nur mit Leib und Seele da, sondern dabei. Erstes Kriterium der gebotenen Arbeit ist Sachlichkeit. Es geht um die Sache der Lebensfristung (S. 605).

     

  2. Subjektiv geht’s um Lebensfristung des arbeitenden Menschen. Objektiv geht es um die Beschaffung betreffend das menschliche Dasein (S. 607).  Rückfrage unvermeidlich: Welchen Zwecken diene ich? Geht es um die Bedingungen des menschlichen Daseins? Zweites Kriterium ist Würde der menschlichen Arbeit (S. 608).

     

  3. Grundmotiv des Menschen: Existenzbehauptung und Existenzsicherung. Platz an der Sonne. «Gib uns heute unser tägliches Brot» (S. 613). Der Mensch verdient sein Dasein durch seine Arbeit. Der Mitmensch ebenso. Drittes Kriterium ist Humanität der menschlichen Arbeit (S. 614). Gegenmotive: (Grund-)Gedankenlosigkeit und Begierde lassen die Mitmenschlichkeit vermissen(S. 616 und 617).  Gegenbewegungen: Pflege, Versorgung und vorübergehende Wiederherstellung (S. 620).
    Kommentar: Als ökonomisches Konzept wäre dies Care-Ökonomie.

     

  4. Arbeit ist tätige Daseinsbejahung und alle tätige Daseinsbejahung ist Arbeit. Der Mensch ist Seele, Subjekt. Daseinsbejahung muss echt sein, nicht nur zum Schein. Zuerst muss der Mensch in sich selbst und an sich selbst arbeiten(S. 626/627). Viertes Kriterium der rechten Arbeit ist Besinnlichkeit. Das ist innere Arbeit. Abgrenzung zur Arbeit: Ausweichbewegungen führen zur Beschaulichkeit, zu sinnentleerter Äusserlichkeit (S. 627/629).

     

  5. Gebot der Arbeit zielt auf des Menschen Freiheit zum Dasein. Es ist das Gebot Gottes (S. 631). Letztlich geht es um das menschliche Leben im Dienste Gottes. Fremder Zwang und sklavische Zuwendung zu den Zwecken, Dingen und Aufgaben im Rahmen der eigenen Lebensfreiheit können zur Bedrohung werden. Der Mensch darf und soll auch ruhen von seiner Arbeit (S. 632)
    Kommentar: Konzept der Care-Ökonomie.

    Fünftes Kriterium der rechten Arbeit ist ihre Grenze. Nicht der Mensch hat die Grundbejahung seines Daseins zu vollziehen, sondern der Schöpfer tut es (S. 634).
    Kommentar: Gegen den Erweis einer Prädestination durch Arbeit/Kapitalanhäufung, siehe protestantischer Kapitalismus, Max Weber.

    Ausbreitung in von der Arbeit verschiedene Richtungen ist richtig verstandene Zerstreuung. Nicht Fluchtbewegungen (Gefahr bei Sport, S. 636/637). Eine bis zwei möglichst edle Allotria treiben ergibt Ruhe, positiven Inhalt, freien Raum (S. 637).
    Kommentar: Gegensatz zu Quietismus und Hobbyverbot im christlichen Fundamentalismus.
  • Zum Abschluss der positive Inhalt der Ruhe als Gegenpol zur Arbeit (S. 642). Besinnung ist die innere Seite der menschlichen Arbeit (siehe 4). Beschauung oder Betrachtung ist das christliche Konzept von Ruhe und Freiheit (S. 643 ). Im Jenseits aller Arbeit, in der Ruhe, braucht es Momente der reinen Betrachtung (nicht Mystik, nicht Reflexion, S. 644). Es ist Hilfestellung, ein Moment der Erstarrung in der Begegnung mit dem Selbst und in seiner Erkenntnis (S. 645 ). Betrachtung muss sein, weil der Mensch, um zur Ruhe zu kommen, sich zunächst einmal selbst ruhig verhalten muss. Weil er dann einen Schritt von sich selbst zurücktritt ( S. 646).

    Des Menschen Ruhe ist im Göttlichen. Gott aber handelt durch sein Wort. Es ist ein Irrtum vieler Mystik, dass Gott Betrachtungsgegenstand sein könne. Gott redet zum Menschen wie dieser ist und in seiner Totalität existiert (S. 647).

Karl Barth, Schweizer Theologe: Die Lehre von der Schöpfung. §§55 Freiheit zum Leben. Das tätige Leben, 1951. Aus: Die kirchliche Dogmatik, Evangelischer Verlag Zollikon-Zürich (1957)


Ruflos Frage nach dem Göttlichen

  • WIE redet Gott zu den Menschen, zu mir? Und wenn keiner redet, ist dann Gott nicht da? Auch keine Göttin? Nichts Göttliches? Der jüdische Philosoph Franz Rosenzweig sagt, die göttliche Offenbarung werde sozial, also von Mensch zu Mensch weitergegeben. Und wenn ein Mensch einsam ist, niemanden hat, die oder der zu ihm stehen würde? Wenn dieser Mensch von der Gesellschaft wie Luft behandelt würde? Wenn er vom eigenen Staat in den sozialen Zwischenraum gestossen würde, der ein Abgrund ohne Auffangnetz ist?

Ich freue mich auf deine Antwort im Kommentar :-)


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